KletternVom Leben

Berge, Angst und Abenteuer – Harry Rost

Berge, Angst und Abenteuer
Gedanken zum Bergsteigen

Die Überwindung von Angst ist die Basis jeden Abenteuers, resultierend aus Risiko und Ungewissheit. Angst ist wichtig und lebenserhaltend. Nur das Abenteuer, das man ohne bleibende Schäden uebersteht, ist wertvoll. Helden sind dumm.

Bergsteigen und Klettern, sind nach der Lesart der goldenen 30er Jahre, Abenteuer mit einer sportlichen Betätigung. Sportlich ist dabei sekundär. Was zählt ist das Abenteuer !

Bergsteigen und Klettern mit dieser Einstellung braucht kein Training. Selbstquälerisches Training ist doof.

Man fängt einfach nach jeder grösseren Pause mit leichten Touren an und steigert bis man Angst bekommt. Angst setzt ungeahnte Kräfte frei, und die Muskulatur wird dabei automatisch gestärkt, ohne spezielles Training.

Hat man die Angstschwelle erreicht, klettert man in diesem Schwierigkeitsgrad bis er Routine wird, d.h. bis sich keine Angst mehr einstellt. Danach steigert man und hat wieder Angst, und so weiter. Sobald man Angst hat, hat man auch schwere Entscheidungen und Abenteuer.

Für den Bergsteiger der das Abenteuer zum Ziel hat, ist Training etwas sinnloses. Es ist doch völlig gleichgültig in welchem Schwierigkeitsgrad er sein Abenteuer findet. Der Schwierigkeitsgrad soll nur Orientierung geben, nicht Ziel sein.

Wesentlicher für Angst und Abenteuer ist der Abstand zur letzten zuverlässigen Zwischensicherung. Deshalb sollte die Art und Zahl der Sicherungsmittel begrenzt  bleiben, und  vorallem  die  Zahl  der  Fixpukte ( Sicherungsringe, Haken und Ösen ) auf keinen Fall erhöht werden.

Niemand wird gezwungen da hinauf zu steigen ! Ehrlicher Verzicht ist auch eine Tugend. Vorallem sollten gealterte Bergsteiger nicht auf die Idee kommen, den Zustand der Touren ihrem Verkalkungsgrad an zu passen. Wer es nicht mehr schafft, der kann es nicht mehr. Das ist doch keine Schande.

Wer erhöhten Sicherheitsbedarf hat, kann es auch nicht mehr. Er will es sich nur nicht eingestehen. Evtl. belügt er sich selbst. Angst und damit Abenteuer gibt es in jeder Schwierigkeit.

In eine ganz andere Kategorie fällt das inzwischen Mode gewordene Sportklettern. Dort wird ein hoher Schwierigkeitsgrad bei möglichst perfekter Absicherung angestrebt. Das hat aber mit Bergsteigen wenig zu tun. Das liegt eindeutig näher beim Turnen, und wo es kommerziell betrieben wird noch näher beim Showgeschäft.

Ganz deutlich ist das daran ersichtlich, dass hier eigentlich der Berg gar nicht mehr gebraucht wird. Eine Kletterhalle, d.h. eine anders gestaltete Art von Turnhalle, genügt.

Es ist jedem selbst überlassen, welchen Freizeitspass er wählt. Nur ist es leider so, dass die meisten Gebirge im näheren Umfeld inzwischen zu Sportklettergerüsten  umgebaut wurden.

Echtes Abenteuer ist hier nur noch in den Westalpen, mit Stein- und Eisschlag, und im Elbsandstein zu finden. Es wäre deshalb besser das Nachschlagen von Ringen zu beenden. Nicht-Einhängen vorhandener Fixpunkte ist keine volle Aufwertung.

Das Elbsandsteingebirge ist für den Kletterer  etwas einzigartiges. Wie lange noch ?

Harry Rost, geschrieben 2003

Ein Gedanke zu „Berge, Angst und Abenteuer – Harry Rost

  1. Das Elbsandsteingebirge ist für den Kletterer etwas einzigartiges. Wie lange noch ?

    Nach einem Elbsandstein-Besuch der amerikanischen Meisterkletterer Henry Barber, Rick Hatch und Steve Wunsch schrieb Wunsch (der Erstbegeher amerikanischer Spitzenrouten wie Supercrack in den Shawagunks und Psycho in Colorado): „ …..Wenn auch die ungewöhnliche Art und Weise des Sachsen-Kletterns einen Vergleich mit anderen Kletterpraktiken schwer macht, kann ich doch sicher sagen – und in diesem Punkt stimmen mir meine Kameraden uneingeschränkt zu -, dass wir auf unseren Reisen durch Amerika, Großbritanien, Europa und Australien nirgends auf so unübertroffenen Maßstäbe gestoßen sind wie im Elbsandsteingebirge… Ich meine, dass die (langjährige) Isolation des Elbsandsteingebirges, verbunden mit der kompromisslosen Anwendung seiner traditionellen Ethik, einen Grundstock herausfordernder Kletterrouten hervorgebracht hat, die einen dort hinkommenden Kletteraspiranten eher in die Schranken weisen als die Schwierigkeiten irgendeines anderen mir bekannten Klettergebietes. Eine einzelne Kletterstelle, die ich als schwieriger als einzelne Züge in anderen Klettergebiete bezeichnen müsste, habe ich im sächsischen Sandsteine nicht gefunden. Wir damaligen Elbsandstein-Besucher stimmen darin überein, dass bei von oben gesichertem Klettern (toprope) die schwierigsten Routen des Elbsandsteingebirges nicht schwieriger erscheinen würden als Extremrouten vieler anderer Gebiete. Der Versuch, jene Routen von unten aus zu führen, dünkt uns jedoch, zumal nach Fehrmann Regeln, als etwas völlig anderes. Der gravierendste Unterschied, der dem Elbsandstein-Klettern erst die Würze gibt, ist das Problem seiner Sicherungsarmut … Klettergebiete, die allein schwierige Gymnastikprobleme bieten, sind auf unserer Erde reichlich genug vorhanden… Meiner Meinung nach wurde die geistige-ideelle Auseinandersetzung um den Problemkreis Angst und Sicherheit nur im Elbsandsteingebirge positiv gelöst, ein historisches Geschehen, das fast ein Jahrhundert überbrückt. Die große Tradition ethischer Standhaftigkeit kam der sächsischen Klettergemeinschaft zugute, indem sie das Vertrauen auf innere Reserven, auf Kraft und Mut stärkte, um sportliche Herausforderungen in so hohem Ausmaß anzunehmen. Dies bezeugen jenen zahlreichen monumentalen Kletterrouten, die während all der Phasen bergsportlicher Entwicklung nirgends auf der Welt Ihresgleichen hatten. Hinzu kommt der Gedanke an die Zeiten, in denen die Felsanstiege erstbegangen worden sind… Allein der Tatsache, dass die ethischen Normen (das sportliche Regelwerk) von der Gesamtheit der sächsischen Bergsteiger über so lange Zeit getragen wurden, dankt das Elbsandstein-Klettern seine Reinheit, die gegenüber aller technologischen Entwicklung weit länger bewahrt worden ist, als man das von der übrigen Welt sagen kann… Die junge Generation sollte, bevor sie zum Material greift, sich des Mutes und Können entsinnen, das die alte sächsische Tradition entwickelt und gelehrt hat… In diesem Zusammenhang scheint mir diskutierenswert, ob die allgemeine Angleichs- und Nivellierungserscheinungen der Bergsteigereinstellung und Kletterpraxis gutzuheißen sind… Solche Gleichmacherei wird für die westliche Welt immer typischer. Eigentlich kommt mir der Individualitätsverlust des Klettersportes in dem einen oder anderen Gebiet eher beklagenswert vor…..“
    Quelle: Felsenheimat Elbsandsteingebirge, Bergsteiger Heft 7/1981

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